Elf Gründe für Cannabis-Legalisierung:
Der Staat als Dealer
Mal sind es 1.800 Pflanzen im ehemaligen
Bahnhofsgebäude in Fischbeck, dann wieder 2.100 Pflanzen im früheren
Verwaltungsgebäude der Telekom in Stendal. Kaum eine Woche vergeht, ohne
dass ein Sonderkommando der Polizei irgendwo im Land eine mehr oder
weniger große Cannabis-Plantage aushebt - gleichzeitig mehren sich die
Stimmen in der politischen Landschaft, die eine Freigabe von Marihuana
unter kontrollierten Bedingungen fordern.
Doch
nützt eine kontrollierte Abgabe von Cannabis? Und wenn ja, wem? Wird die
Kriminalität abnehmen? Sprudeln die Steuereinnahmen wie im
US-Bundesstaat Colorado? Oder greifen dann auch Menschen zur weichen
Droge, die sich bisher nicht herangetraut haben?
Erfahrungen
in den Bundesstaaten der USA, die mit Beginn des vergangenen Jahres
begonnen hatten, das bis dahin strikte Cannabis-Verbot zu lockern,
zeigen, dass Befürchtungen unbegründet sind. Bundesstaaten wie Colorado
profitieren nicht nur massiv von den Steuern, die durch den legalen
Verkauf von Marihuana generiert werden, sondern sie sparen auf der
anderen Seite auch an Ausgaben für die Verfolgung von Drogendelikten,
die nach der neuen Rechtslage keine mehr sind.
Was
wäre, wenn Sachsen-Anhalt dem Beispiel von Colorado, Washington, Oregon
und Alaska folgen und Cannabis legalisieren würde? Hier sind elf
Gründe, warum eine Freigabe für Sachsen-Anhalt vor allem ein Gewinn
wäre.
1. Steuereinnahmen durch Verkauf von Marihuana
Das
Land könnte von immensen Steuermehreinnahmen profitieren. Durch den
legalisierten Verkauf von Marihuana würde der Finanzminister jedes Jahr
mehr als 30 Millionen Euro zusätzlich einnehmen. Diese Summe ergibt sich
aus dem Vergleich mit den Mehreinnahmen Colorados von rund 80 Millionen
Dollar. Bei gleichen Verkaufspreisen profitiert das Land an jedem
verkauften Gramm, während der Handel mit weichen Drogen derzeit
ausschließlich auf dem Schwarzmarkt stattfindet. Denkbar wären auch
lokale Sondersteuern, so dass Kommunen oder Landkreise, die mehr
Marihuana-Touristen anziehen, auch stärker vom Verkauf profitieren
könnten. Colorado etwa erhebt eine lokale Sondersteuer für den
Cannabisverkauf. Experten haben ausgerechnet, dass damit von jedem
Dollar, der für Pot ausgegeben wird, 37 Cent in die Staatskasse fließen.
2. Kiffer-Touristen bringen zusätzliche Einnahmen.
Etwa
fünf Prozent der deutschen Bevölkerung kiffen zumindest gelegentlich.
Das sind etwa drei Millionen Menschen, für die eine Reise nach
Sachsen-Anhalt reizvoll wäre, wenn sie hier legal Marihuana konsumieren
könnten. Colorado erlebt seit der Legalisierung durch eine
Volksinitiative im vergangenen Jahr einen Ansturm von Kiff-Touristen,
die meisten von ihnen sind älter als 30 und wohlhabend. Eine ganze neue
Industrie ist dabei, das Image von Marihuana zu verbessern: Es gibt
spezielle Touren in Anbaugebiete und in Gewächshäuser, Führungen durch
die Spezialläden und Empfehlungen von Fachleuten.
Durch die Legalisierung hat sich das Image von
Colorado verändert - der einstige Cowboystaat ist gerade unter jungen
Amerikanern sehr populär. In der Hauptstadt Denver, die mehr als 100
spezielle Cannabis-Shops zählt, hat sich zuletzt eine großartige Szene
aus Restaurants und kleinen Brauereien entwickelt, die Freigabe von
Marihuana förderte Denvers Ruf als weltoffene Stadt mit hoher
Lebensqualität.
3. Die Polizei kann sich endlich mit richtigen Straftaten beschäftigen.
145
000 Ermittlungsverfahren wurden allein 2013 im Zusammenhang mit
Cannabis in Deutschland eröffnet. Je nach Bundesland stellten die
Behörden davon allerdings zwischen 40 und 90 Prozent ohne Auflage oder
Gerichtsverfahren ein. Im besonders liberalen Berlin gelten 15 Gramm als
geringe Menge, die straffrei bleibt, in Sachsen-Anhalt wird bei unter
fünf Gramm ein Auge zugedrückt. Kosten aber entstehen auch für diese
Strafverfolgung ohne Strafe. Eine Studie beziffert die
durchschnittlichen polizeilichen Personalkosten pro Cannabisfall für
Großbritannien auf etwa 800 Euro. Der deutsche Wert dürfte vergleichbar
sein. Für ganz Deutschland ergäbe allein das alljährlich eine Summe von
etwa 116 Millionen Euro für die polizeiliche Verfolgungsarbeit. Nicht
eingerechnet sind hier die Kosten für Staatsanwälte, Richter,
Rechtsanwälte und die zeitweise Unterbringung in Haftanstalten. Geld,
das gespart werden könnte, wenn es staatliche Lizenzen für
Cannabis-Verkäufer gäbe. Nach einer Marihuana-Legalisierung könnte sich
die Polizei damit beschäftigen, die großen Fische zu fangen, die
wirklich gefährliche Drogen wie
Crystal Meth verkaufen. Prävention könnte in den Vordergrund rücken.
4. Die Justiz braucht keine Marihuana-Dealer mehr zu verurteilen.
Auch
wenn die Zahl der wegen Handels mit Marihuana verurteilten Dealer
ohnehin nicht besonders hoch ist, würden diese Strafverfahren künftig
wegfallen. Strafbar wäre nun nur noch die Weitergabe an Minderjährige
oder das Rauchen von Cannabis außerhalb der eigenen Wohnung oder in der
Öffentlichkeit - je nachdem, wie der Gesetzgeber das regulieren würde.
Letzteres etwa könnte dann auch ein Fall für das Ordnungsamt sein.
5. Durch legalen Verkauf von Marihuana können Jobs geschaffen werden.
Mindestens
10.000 neue Vollzeit-Jobs hat das „grüne Gold“ allein dem Bundesstaat
Colorado innerhalb von einem Jahr beschert, als Dealer legale Verkäufer
wurden. Dazu kommt ein neuer Gründerboom bei Cannabis-Firmen: GW
Pharmaceuticals und Advanced Cannabis Solutions gelten in den USA als
neue Börsenstars, wie sie Sachsen-Anhalt nach dem Aus der
Solar-Unternehmen so dringend braucht. Auch viele kleine Firmen, die
beim Gewerbeamt angemeldet wären und deren Mitarbeiter zudem Beiträge in
die Sozialkassen einzahlen würden, könnten Sachsen-Anhalt vom
viertletzten Platz bei der Arbeitslosenquote weiter nach oben helfen.
6. Schulen würden wieder zu drogenfreien Zonen.
Mit
der Legalisierung des Verkaufs von Cannabis an Erwachsene wäre es
möglich, die Weitergabe weicher Drogen an Minderjährige hart zu
verfolgen. Bislang unterscheidet das Gesetz nicht zwischen Drogenbesitz
bei Volljährigen und bei Jugendlichen. Schulen und
Ausbildungseinrichtungen stehen beim Kampf gegen den Rausch heute auf
verlorenem Posten, weil es kaum Sanktionsmittel gegen bedröhnte
Schülerinnen und Schüler gibt.
7. Drogenanbau im eigenen Land
Der
Nachschub für die fast drei Millionen deutschen Cannabis-Konsumenten
kommt schon lange nicht mehr aus dem Ausland, sondern überwiegend von
inländischen Plantagen. Fast 800 ließ die Polizei im vergangenen Jahr
deutschlandweit auffliegen. Neben 479 Kleinanlagen, die mit nur ein paar
Pflanzen für den individuellen Gebrauch produzierten, stießen die
Beamten dabei auch auf 184 Groß- und 28 Profianlagen mit mehr als
tausend Pflanzen. Eine Industrie, die im Verborgenen blüht, vor allem in
Sachsen-Anhalt: Pro Kopf der Bevölkerung wurden zwischen Altmark und
Zeitz zuletzt fast 60 Prozent mehr illegale Anbauanlagen entdeckt als in
Bayern. Eine Chance für Sachsen-Anhalt, das gemessen an seiner
Gesamtfläche über mehr landwirtschaftliche Nutzfläche verfügt als jedes
andere Bundesland. Nach Berechnungen des Deutschen Hanf- Verbandes
könnte eine legalisierte Cannabis-Landwirtschaft zur florierenden
Wirtschaftsbranche werden: Ein nach dem Vorbild von Colorado regulierter
Cannabismarkt brächte deutschlandweit zusätzliche Steuereinnahmen von
mindestens 530 Millionen Euro im Jahr, Sachsen-Anhalt würde als
mögliches Hauptanbaugebiet über die Maßen profitieren.
8. Mehr Geld für Schulen und Bildung
Drogenmissbrauch
macht dumm, aber Steuern aus dem legalen Drogenverkauf können auch für
bessere Bildung sorgen. Colorado zeigt es: Der US-Bundesstaat investiert
einen Teil der Steuereinnahmen aus dem Verkauf von Marihuana direkt in
Schulen. Davon werden der Bau von Schulgebäuden und Bildungsprogramme
finanziert. Auch Stipendien werden mit den Steuereinnahmen bezahlt.
9. Sachsen-Anhalt wird attraktiver - besonders für Künstler.
Früh
aufstehen ist eine Tugend, nach der nicht jeder strebt, selbst in
Sachsen-Anhalt nicht, das mit dem Frühaufstehen für sich wirbt. Vor
allem kreative Menschen schlafen gern länger, noch lieber sogar, wenn
sie zuvor einen Joint geraucht haben. Würde Marihuana in Sachsen-Anhalt
legal werden, könnte das die Attraktivität etwa der Kulturstadt Halle
besonders für Künstler steigern.
Durch die Burg Giebichenstein, die Kneipenmeile und
die vielfältige Kulturszene mit vielen ausländischen Studenten gilt
insbesondere Halle sowieso schon als liberale Stadt. Eine
Cannabis-Legalisierung würde dieses Image zusätzlich fördern und dazu
führen, dass die Kunstszene weiter wächst. Das lockt wiederum auch mehr
Touristen und kurbelt die Fremdenverkehrsindustrie an.
10. Die Geburtenrate steigt endlich.
Wissenschaftliche
Studien haben gezeigt, dass Marihuana die Libido anregen kann.
Marihuana-Konsumenten haben mehr Lust auf Sex, zugleich sollen sie auch
vergesslicher sein - ein Kondom bleibt dann auch mal unabsichtlich in
der Tasche. Sachsen-Anhalt, das immer noch unter Wegzügen und einer
geringen Geburtenrate leidet, könnte sich folglich vermutlich bald nach
einer Legalisierung über einen Anstieg der Geburtenzahlen freuen.
11. Gestärkte regionale Wirtschaftskreisläufe
In
Colorado haben viele erfolgreiche Cannabis-Firmen ein Problem: Wohin
mit dem vielen Drogengeld? Weil der Cannabis-Verkauf in den USA auf
Staatsebene immer noch verboten ist, ist das Handelsgeschäft ein reines
Bargeld-Geschäft. Banken dürfen das Geld nicht annehmen, elektronische
Zahlungen in andere Bundesstaaten sind nicht möglich. Denkbar wäre unter
gleichen Voraussetzungen in Deutschland, dass Drogengelder die schwache
Kapitalbasis von Firmen in Sachsen-Anhalt stärken und privates Kapital
direkt in Investitionen im Land fließt. (mz)